Konzept der kommunalen Wohnungsmarktbeobachtung

Die Diskussion um die Einführung einer kontinuierlichen Wohnungsmarktbeobachtung begann Ende der 80er Jahre. Ein Anstoß dazu war die Erkenntnis, dass die früher üblichen langfristigen Wohnungsbedarfsprognosen nur bedingt als Grundlage für eine zukunftsorientierte Wohnungspolitik hilfreich waren.

Aufgrund der langfristigen Prognosezeiträume wurden auch wohnungspolitische und -wirtschaftliche Entscheidungen auf eine langfristige Sicht getroffen, aktuelle, ggf. abweichende Marktentwicklungen wurden dabei kaum berücksichtigt. Die Diskrepanzen zwischen Prognosen und Marktentwicklung traten seit Mitte der 1980er Jahre immer deutlicher zutage.

Grund dafür waren Prognosemethoden, die die folgenden Punkte z. T. vernachlässigten: 

  • Die allgemeine wirtschaftliche bzw. die Einkommensentwicklung der Haushalte als zentraler Nachfragefaktor sowie
  • die Tatsache, dass sich Angebot und Nachfrage zunehmend in verschiedene Teilmärkte differenzieren. So blieben Verdrängungs- bzw. Sickerprozesse unberücksichtigt, die selbst bei – im theoretischen Saldo – ausgeglichener Marktlage zu selektiven Engpässen in den preisgünstigen Teilmärkten führten.

Exogene Einflüsse verschäften die Lage: Die kaum vorhersehbare Zuwanderung aus dem ehemaligen Ostblock stellte die Wohnungswirtschaft und -politik vor neue Probleme, auf die sie nicht schnell genug reagieren und ausreichend preisgünstigen Wohnraum zur Verfügung stellen konnte. Die Konkurrenz um die nur langsam wachsenden Wohnungsbestände, Bauflächen und Baukapazitäten führten anschließend auch in anderen Teilmärkten zu Engpässen.

In dieser Situation suchten einige westdeutsche Kommunen nach neuen Methoden, mit denen sie ihre Wohnungsmärkte differenziert und zeitnah analysieren und Probleme frühzeitig erkennen konnten. Dazu reichten die Daten der amtlichen Statistik nicht aus, weil sie nur einen Teil des Marktgeschehens abdeckten und kaum teilmarktbezogene Informationen lieferten. Gleichzeitig waren die Verwaltungen kaum in der Lage, personelle wie finanzielle Ressourcen für umfangreiche empirische Erhebungen bereitzustellen. Auch für aufwändige mathematische Marktmodelle standen allenfalls in Großstadtverwaltungen spezialisiertes Know-how und entsprechende Kapazitäten zur Verfügung.

Das Konzept einer kontinuierlichen Beobachtung, das in den 1990er Jahren beim damaligen Dortmunder Wohnungsamt zum ersten Mal konsequent in die Praxis umgesetzt wurde, versucht seitdem, diesen Anforderungen gerecht zu werden und nimmt auch aktuell weiterhin eine Vorbildfunktion ein. 

Grundlage dieses Monitoringsystems ist ein Indikatorensatz, der neben der amtlichen Statistik auf ergänzende Datenquellen zurückgreift. Um den Aufwand gering zu halten, werden in erster Linie vorhandene, leicht verfügbare Daten zusammengeführt – aus dem kommunalen Verwaltungsvollzug (z. B. Wohngeld, Bauordnung, Gutachterausschüsse) und von externen Anbietern (z. B. Preisspiegel der Makler oder von externen Beratungsunternehmen).

Diesen Daten und Indikatoren wurden später zur inhaltlichen Ergänzung und Überprüfung qualitative Informationen an die Seite gestellt, z. B. Einschätzungen von Marktakteuren, die die Verwaltung in Interviews oder per Fragebogen (Stimmungs-/Wohnungsmarktbarometer) erhob.

Aus der Ex-Post-Analyse dieser Daten und Indikatoren leitet die Marktbeobachtung zugleich eine Einschätzung künftiger Entwicklungen ab, da sie auch eine Frühwarnfunktion wahrnehmen soll. Die jährliche Veröffentlichung der Ergebnisse sorgt dafür, dass das Thema Wohnen in Politik und Verwaltung konjunkturunabhängig verankert ist und diskutiert wird. Zugleich dient die laufende Beobachtung der Märkte sowie die Diskussion und Veröffentlichung der Ergebnisse der Wohnungsmarktbeobachtung der bessseren Resilienz der lokalen Wohnungspolitik in Zeiten multipler Krisen. 

Der Wohnungsmarktbericht ist kein Leitfaden oder Handlungsprogramm, aber auch kein ausschließlich deskriptiver, statistischer Bericht. Vielmehr soll er einen „Aufforderungscharakter“ haben, d. h. Problembereiche und Handlungsfelder pointiert benennen und Diskussionen anstoßen. Politik und Wohnungswirtschaft müssen in einem folgenden Schritt konkrete Maßnahmen oder Handlungsaufträge entwickeln. Adressaten des Berichts sind nicht nur die Verwaltung und Politik, sondern alle Akteure aus der Bau-, Wohnungs- und Kreditwirtschaft sowie Interessensvertreter wie z. B. Mietervereine und Haus und Grund. Der Verständlichkeit halber wird in der Regel auf komplexe statistische Methoden verzichtet.

Mit dem Konzept, das seit seiner ersten Einrichtung ständig weiterentwickelt wird, macht die Stadt Dortmund bis heute sehr gute Erfahrungen. Daher bauen die meisten Kommunen auf dem Dortmunder Modell auf. Allerdings ist auch klar, dass es bei der Ausgestaltung vor Ort keinen Königsweg gibt, den alle ohne weitere Reflexion ihrer Ausgangslage und Handlungsziele einschlagen können. Die Lösungen sind zudem abhängig von der jeweiligen Verwaltungsorganisation, den verfügbaren Ressourcen und den involvierten Personen.